Ein Interview mit einer Aktivistin des Solifonds Husum. Die Person nimmt Stellung zum Stand der Dinge, schätzt de Pespektiven für linksradikales Engagement in Husum ein und benennt recht deutlich die Schwächen der Szene.
Frage: Du hast jetzt fast ein Jahr lang Soliarbeit gegen politisch motivierte Strafverfahren in Husum gemacht. Wie kam es dazu?
Im Sebtember 2005 wurden 3 Husumer Antifa-AktivistInnen für Sachbeschädigung an NPD-Plakaten verantwortlich gemacht. In der Folgezeit ging eigendlich alles schief: es wurden Aussagen gemacht, ein Betroffener stand in der Folgezeit mit der Repression fast alleine da. Aus danach die Aussage, dass die Person „doof“ und selber schuld sei, und deshalb bräuchten menschen aus dem Antifa-Spektrum nicht solidarisch mit jemanden sein, der für Aktionen gegen die NPD verantwortlich gemacht wird. Ein ähnliches Bild wiederholte sich noch in drei weiteren Fällen. Nach der Gartenparty mit dem gezielten Polizeiübergriff auf politisch Aktive war für mich klar, das die geschichte noch lang und teuer wird. Ich sah aufgrund der vorherigen Vorkomnisse keine Perspektive, die nötige Unterstützung in Husum zu mobiliseren. So kam es schließlich zur Gründung des Solifonds.
Frage: Vor welchen Problemen standet ihr am Beginn der Kampagne?
Ein Hauptproblem war die Situation in Husum: Es gibt bis heute kaum Solidarität in der sozialen Bewegung vor Ort. Zudem sind die Abläufe informell extrem hierarchisch organisiert, und es gibt auch keine Bestrebungen, dies zu ändern. Diese strategischen Missstände rächten sich nun: Die aktiven Zusammenhänge engagierten sich höchstens für ihre eigenen Klientel. Die Betroffenen sahen angesichtsder staatlichen Repression nur eine Handlungsoption: Den Kopf in den Sand stecken, und hoffen, das es schnell vorbei geht. Wie sollte es auch anders sein, wenn angeblich emanzipatorische Politik genauso organisiert ist? Diese strukturell vermittelte Gefühl der Handlungsunfähigkeitwurde von den meisten „Checkern“ zudem noch verschärft, anstatt das Prozesse eingeleitet wurden, die zu mehr Handlungsfähigkeit für alle führen könnten. So wurden z.B. geplante Aktionen „verschoben“, weil diese wegen der derzeitigen Repression unter „besonderen“ Bedingungen von „besonderen“ Leuten vorbereitet werden müssten. Dies führte in der Praxis dazu, das es erstmal keine Aktionen mehr gab. Die Möglichkeit, Trainings und know-how-sharing durchzuführen, damit möglichst viele Menschen widerständige Aktionen machen können, wurde nicht einmal angedacht.
Frage: Wie kam es dann zu den Soli-Aktionen im Dezember?
Das ist eine der wenigen coolen Geschichten! Wir vom Solifond wollten eigendlich vor Weihnachten mit einer Postkarte, die wir in ganz Husum verteilen wollten, auf die Repressionsfälle aufmerksam machen. Und während wir uns noch mit Constanze (Geschäftsfüherin Speicher e.v.) um Bildrechte streiten, machen irgendwelche Leute einfach ein Poster mit unseren Inhalten, verkleben es haufenweise, und während ich ausgelaugt zur Speicher-Weihnachtsparty gehe, baumelt von der Hafenbrücke ein riesiges Transpi, dass offensichtlich auf unsere Arbeit Bezug nimmt. Einerseits zeigt mir das, dass wir doch nicht so alleine stehen und dass es doch noch handlungsfähige aktionistische Zusammenhänge in Husum gibt. Außerdem wurde mir wieder etwas bewußt: Gesellschaftlichen Wandel und Druck erreicht mensch mit kraftvollen Aktionen, nicht mit Verhandlungen.
Frage: Du erwähnst den Speicher. Wie stehen die zum Solifond?
Ehm…Fangfrage! Nein ernsthaft: Die Speicher-Meinung gibt es nicht. Ich weiß, dass die Geschäftsführung und auch bestimmte Mitglider des Vorstandes prinzipiell von „Wir, der Speicher“ sprechen, wenn sie ihrer Privatmeinung mehr Gewicht geben wollen, aber die Realität ist wie so oft komplexer. Einerseits gab es im Dezember mit Constanze einen relativ harten Schlagabtausch. Aber andernseits war Jan Groß im Speicher-Vorstand, und selber Repressionsbetroffener. Zudem engagieren sich einige Personen aus dem Speicher-Umfeld im Solifond, und fast alle Repressionsbetroffene sind oder waren in der Speicher-Jugendgruppe engagiert. Wie gesagt: Der Speicher ist nur ein Gebäude. Gebäude haben weder Gedanken noch Meinungen. Engagement hängt von konkreten Personen ab.
Frage: Worum ging es bei dem „Schlagabtausch“, den du erwähnst?
Am Anfang der Kampagne wollten wir die Entstehungsgeschichte der Repressionswelle noch miterzählen. Und ein grundlegendes Kriterium für Repressionszielfestlegung bei den Cops scheint die Zugehörigkeit zum Umfeld der Jugendgruppe gewesen zu sein. So fiel unsere Wahl für ein Motiv mit Wiedererkennungswert auf eine Speicher-Frontansicht. Constanze war der Meinung, dass der Speicher überhaupt nichts mit der Repression zu tun habe, obwohl viele Ehrenamtliche betroffen und ein Vorstandsmitglied verprügelt und inhaftiert worden war. Zudem findet sie, dass es in der aktuellen politischen Situation für den Speicher am besten sei, gar nicht aufzufallen. Dass sie selber bereits zu diesem Zeitpunkt intensiv mit der politischen Polizei zusammenarbeitete, und auf Polizeianfrage sogar am Telefon AktivistInnen als „aktive Antifaschisten“ denunzierte, haben wir erst später aus Polizeiakten erfahren. Aus diesem Backround heraus forderte sie das Einstampfen der Postkarten, das Einstampfen des HusumA-Repressionsreports, das Entfernen eines Fotos und eines Artikels von der HusumA-Homepage und von Indymedia. Sie war auch bereit, diese Forderungen per Gericht durchzusetzen. Nach einer E-Mail-Protestaltion konnten wir uns einigen, dass die Postkarten nicht verteilt werden, und wir uns gegenseitig erstmal in Ruhe lassen. Heute bestreitet Constanze ihre Klagedrohung. Der ganze Vorgang zeigt einfach nur, wie autoritär und herrschaftsförmig Linke in Husum gewohnt sind zu agieren, und wie schwer es ist. Alternativen einzubringen.
Frage: Wie würdest du die Kampagne unterm Strich bewerten?
Antwort: Ich weiß nicht. Einerseits ein klarer Erfolg: Einige Verfahren sind ganz klar aufgrund politischen Druckes eingestellt worden. Und es ist gelungen, dafür zu sorgen, dass die Betroffenen die Folgen der Repression nicht alleine tragen mussten. Andernseits haben die Repressionsorgane ihr Ziel erreicht. Der politische Zusammenhang im Fokus der Polizei ist zerschlagen. Nur die wenigsten Menschen sind noch politisch aktiv, und die, die es noch sind bewegen sich in anderen Zusammenhängen. Ich denke aber, dass hier auch die menschlich/asoziale Komponente und Abläufe, deren Ziel nie Emanzipation und Veränderung waren, eine Rolle spielten. Ich hoffe aber, dass diese Negativ-Beispiele von Zusammenhangsdynamiken zumindest nachfolgenden Gruppen durch das Wissen der Fehler der anderen erspart bleiben.